Nun, mein Rant war einer der brennendsten Hasspredigten meines Lebens und entstand aus purer Enttäuschung.
Aber gut, ich bin ja nicht jemand, der gerne lästert über etwas, was er nicht kennt und zudem bin ich trotzig wie ein kleines Blach. Also habe ich mir einfach ein Rift besorgt, um zu sehen, was das ganze Brimmbrimm soll, warum das Internet nach der Preisankündigung explodierte und vor allem: Was Virtual Reality abseits einer 2 Minuten Messedemo bei viel zu hohen Temperaturen eigentlich bedeutet.
Lest meinen Bericht nach dem Teleport:
Nuuuun, wie wars denn mit dem Rift?
Scheisse…
Ernsthaft, verschwendet eure Zeit nicht mit dem Rift.
Neben konstanten Erstkontakten mit Motion Sickness, die übrigens richtig reinhaut und bei mir noch über eine Stunde pro Vorfall nachgewirkt hat und neben einem strapazierenden 800 € Preis kommen noch die zwei Tatsachen hinzu, dass das Erlebnis selbst recht unbeeindruckend ist und vor allem allem allem die Spiele heutzutage noch nicht reif sind.
Es war eine Scheisserfahrung und ich will mehr davon.
Hä? Masochist?
Nein! Die Scheisserfahrung habe ich mir selber zuzuschreiben und habe es darauf angelegt.
Als erstes habe ich das Developer Kit 1 geholt, die technisch schwächste erhältliche Version. Das hatte zwei Gründe.
Der Erste ist meine Grafikkarte.
Ich habe nicht die schnellste und wollte das Rift mit den geringsten Anforderungen, um stabile 60 FPS zu gewährleisten und der zweite Grund war, dass ich ohnehin die schlechteste Version von VR testen wollte, einfach um den Worst Case zu kennen und dann bei höherwertigen Versionen eine Referenz im Kopf haben zu können.
Die eigentliche Erfahrung mit dem Devkit 1 ist gar nicht schlecht, auch wenn man viele Abstriche in Kauf nehmen muss.
Zunächste wäre da der Screendooreffekt, ein subtiles Fliegengitter, das wahrgenommen werden kann und ein wenig die Optik stört. Es ist aber das geringste Übel, zumindest für mich, denn das nimmt jeder subjektiv für sich anders wahr.
Was schon deutlich schlimmer ist, ist die recht geringe Auflösung von 640 x 800 Bildpunkten pro Auge.
Stellt euch jeden beliebigen 3D-Shooter in einer Auflösung von 320 x 400 vor.
Aber man muss auch sehen, dass diese Auflösung über das komplette Sichtfeld gestreckt ist. Je nach Texturen wird man von fiesen Moire-Effekten angegriffen, die irgendwie desoriontieren.
Dazu kommt noch ein starker Treppeneffekt aller Kanten und dass man sich viel zu häufig auf die eigentlichen Bildpunkte fokussiert, statt auf das abstrahierte Gesamtbild.
Stellt euch das wie bei einer Glasscheibe vor, wo das Gehirn nicht entscheiden kann, ob es jetzt die eigentliche Glasscheibe, die darin gespiegelten Objekte oder die tatsächlich hinter der Glasscheibe liegenden Objekte fokussieren soll.
Aber das allerschlimmste ist der Motionblurr bei Bewegungen.
Der macht es nochmal schwieriger, dass man sich auf irgendwas fokussieren kann.
Jede Drehung und jede Bewegung wird mit einem verschwommenen Blick bestraft und ist bei mir die Motion Sickness Ursache.
Ich hatte das Gefühl, als wäre ich besoffen oder hätte Drogen genommen.
Die Augen versuchen ununterbrochen, sich neu einzustellen und das macht es unmöglich, sich gedanklich mit irgendwelchen Punkten oder Positionen im Raum zu synchronisieren, weil das Rift dem Gehirn konstant ‘Falsch!’ ‘Doch Nicht!’ ‘Nein, Anders!’ vermittelt, obwohl das aktuell gesehene eigentlich eindeutig ist.
Getestet habe ich Doom 1, Quake 1 und einigen Demozipzop. Letzteres war zu grossen Teilen Ok, da alles recht langsam und ohne ruckartige Geschwindigkeitsänderungen abläuft.
Doom habe ich knapp 15 Minuten durchgehalten.
Da Doom recht horizontal bleibt kam die Motion Sickness erst recht spät, aber am Ende musste ich mich dem matschenden Verschwimmen geschlagen geben.
Doom ist zu schnell. Zumindest fürs Devkit 1 und seine viel zu hohe Latenz.
Und dann kam Quake.
Am nächsten Tag.
Nach ordentlichen Ausschlafen.
Ich konnte noch nicht mal den ersten Level beenden.
In der Episodenauswahl machten mir die blinkenden Lichtquellen am Teleporter der ersten Episode schon zu schaffen. Schnell in den Teleporter und es ging wieder etwas.
Der erste Gegner und dann wieder blinkende Lichter bei den versteckten Shotgunshells.
Schnell weg da und runter mit dem Aufzug. Ich kam noch über die kleine Brücke und schaffte es noch nicht mal durch die zweite Tür des Levels.
Die nächsten zwei Stunden verbrachte ich damit, die latente Übelkeit und Desorientierung wieder loszuwerden.
Ich habe absichtlich die denkbar schlechtesten Spiele in Kombination mit dem schlechtesten Rift verwendet, um meine Reaktion darauf zu sehen.
Dass ich Motion Sickness bekommen habe überrascht mich nicht allzu sehr.
Was mich viel mehr überrascht ist die Ursache.
Ich hätte angenommen, dass die Orientierung der Auslöser wäre.
Dem war aber nicht so.
Ich konnte in Quakes Introbereich wild herumspringend meinen Kopf herumschlackern und selbst als ich dem Headtracking die Kontrolle entriss, indem ich die Kontrolle der Blickrichtung auf die Maus legte, (etwas, vor dem Oculus ausdrücklich warnt) wurde mir nach mehreren Wiederholungen nicht schlecht.
Aber sich auf Gegner, Level und Gegenstände zu konzentrieren während alles eine Unschärfe hat, als hätte man die Brille eines Fremden auf, bringt einen zum Kozzän…..
Lustigerweise kann ich im Auto sitzen, im Bus rückwärts und seitwärts fahren, auf schwankenden Schiffen über das Meer fahren, habe kein Problem im 3D-Kino und kann auch in Spielen die verdrehtesten Perspektiven- und Orientierungsspielereien vertragen ohne auch nur mit den Schultern zu zucken.
Nintendo 64 Extreme-G konnten einige meiner Freunde nicht Spielen, ein ähnlicher Effekt bei Starfox auf dem Super Nintendo.
Ich hatte nie Probleme mit Motion Sickness.
Aber genug von sicken Kranksachen gebrabbelt.
Was halte ich nun von Rift, ausser dass es Scheisse war?
Ich denke, das Rift, oder VR generell, ist die Zukunft.
Und es ist awesome.
Nicht 800 € awesome, auch nicht 500 € awesome, absolut NEIN!
Aber es ist awesome, wenn man plötzlich IM Spiel ist und das ist nicht bloss eine Marketingfloskel.
Selbst die Sprite-Items in Doom waren wie absolut reale Pappaufsteller, die man tatsächlich greifen und aufheben kann.
Man greift danach (es ist weird, dass man dabei seine Hände nicht mehr sieht) aber man grapscht ins Leere.
Und mann sind die Items gross!
Die blauen Miniflaschen in Doom sind so gross wie in der Realität Melonen.
Überhaupt ist es toll, wirklich wirklich da zu sein und das mal alles in Wirklichkeit sehen zu können, was man all die Jahre mit viel Spass verbunden hat.
Auch in Quake: Ich weiss noch damals, als ich das erste mal über den Lavaabgrund hüpfte, der zum Portal für den Schwierigkeitsgrad Hard führt. Es war aufregend und ich hatte Angst, rein zu fallen.
Seitdem habe ich diesen Sprung bestimmt 1000 mal gemacht, es ist praktisch Second Nature und ist in meinem Quake Moveset fest einprogrammiert, wahrscheinlich könnte ich es sogar blind.
Aber mit dem Rift war es das erste mal wieder nervenaufreibend, über diesen mickrigen Lavasee zu springen. So gut ist das Rift wenn es auf seine Stärken reduziert wird.
Ich schrieb oben, dass ich vom Rifterlebnis nicht so mitgerissen wurde. Das liegt nur an meinem 3D-Kopf, da ich grundsätzlich alles sehr räumlich wahrnehme und das Rift jetzt nicht viel anders war als die Realität. Wenn das nicht das beste Kompliment an diese Technologie ist dann weiss ich auch nicht mehr weiter.
Kommen wir zum letzten Punkt: Spiele.
Alles was ich spielte, wo es nicht um einfaches herumlaufen und vereinzelt Sachen anklicken\einsammeln ging, fühlte sich eigenartig entkoppelt und extrem umständlich an.
Die Natürlichkeit von WASD und Maus ist instant dahin.
Vielleicht sollte ich die Maus ganz weglassen und das Drehen nur über die Pfeiltasten machen, vielleicht sollte ich Körperdrehungen komplett von Kopfdrehungen steuern lassen, schliesslich kuckt man ja meistens in die Richtung, in die man läuft.
Auf jeden Fall muss ein neuer Standard für die VR-Steuerung gefunden werden, so wie es die 3D Jump’n’Runs und die 3D-Egoshooter bekommen haben.
Der Post ist recht lang und ich habe jetzt auch keine Lust mehr.
VR ist gut und wird die Zukunft sein als gleichberechtigte Plattform neben Konsolen, Handhelds, Stupidphones und PC.
Es wird, soll und kann niemals die vorhandenen Wege des Spielens dauerhaft ersetzen, da es einfach sehr einschneidend ist und man manchmal einfach nur bequem vor dem grossen Fernseher aus 3 Metern Entfernung sich völlig kabellos gemütlich entspannt von seinem aktuellen Lieblingsspiel bedudeln lassen möchte. Dafür ist VR viel zu immersiv und zu intensiv.
Gleichzeitig ist es, wenn man die Aufregung und das maximale Eintauchen sucht und die stärksten Emotionen aus jedem Spiel herausholen will, die mächtigste Möglichkeit aller Zeiten.
Trotzdem ist der Preis für das Rift eine lächerliche und überteuerte Zumutung.
Und er starb.
Ende