Ich hab ne Serie gekuckt. Eine Kochserie.
Da waren Menschen und Geräusche und da hat sich viel bewegt.
War richtig lustig, und manchmal auch nicht.
Besonders wenn die Menschen geschrien und geblutet haben.
Und ob Hannibal als Serie etwas taugt und ob sie den Filmen und Büchern gerecht wird, könnt ihr in meiner Review hier lesen.
Fast spoilerfrei.
Kommen wir ganz unhöflich sofort zum Hauptgericht und bringen die Dinge zuerst, die wohl am interessantesten sein dürften.
Das Ende suckt.
Es ist vollkommen misslungen und unsinnig.
Es verkehrt die gesamte Essenz, was Will Grahams Charakter ausmacht ins Gegenteil und dichtet sowohl Hannibal als auch Will Charakterzüge an, die defenitiv nicht vorhanden sein sollten.
Das Ende ist Fanfiction. So übel ist es.
Ich sage nur Johnlock.
Und du sagst ‘Neiiiinnn’…
Und ich sage dooocchh…
Und du sagst ‘Nicht ernsthaft, oder’?
Und ich sage nur: Jooohnlooock!
Nur worum geht es?
Will Graham hat die Fähigkeit Morde aus dem Tatort heraus in seinem Geist zu rekonstruieren und sich vollständig in den Verstand des Mörders hineinzuversetzen.
Damit hilft er dem FBI unter der Leitung von Jack Crawford Serienkiller zu jagen.
Damit Will nicht bekloppt wird, zieht Jack Crawford den Psychiater Hannibal Lecter hinzu, um Will bei den Ermittlungen mit einer Therapie zu begleiten.
Nur wie wir alle wissen, hat Hannibal Lecter eine besondere Vorliebe für besonders ausgefallene Fleischsorten bei seinen von ihm für seine Kollegen vom FBI zubereiteten Festessen, welche dafür sorgen, dass Will Graham und Jack Crawford immer genügend neue Ermittlungsarbeit zu bewältigen haben.
Mads Mikkelsen ist der bessere Lecter.
Ist einfach so und ist unumstösslich. Er hat einfach eine so unwirkliche und unirdische Art an sich.
Wenn ich seine Charakterisierung beschreiben müsste, so wäre dies Eis, das bis zur Schärfe einer Rasierklinge geschliffen wurde.
Unglaublich toll, beherrscht und eindrucksvoll in seiner Dezenz.
Anthony Hopkins ist trotzdem besser, obwohl Mads Mikkelsen besser ist.
Leider war Anthony Hopkins auch theatralischer…
Hugh Dancy ist der beste Graham bisher.
Besser als Gil Grissom und besser als Edward Norton und sogar besser als Clarice Starling.
Auch wenn es stellenweise arg übertrieben wird, nehme ich ihm seine PTSD-geplagte Profilertätigkeit absolut ab.
Das ist eher wie ich mir vorstelle, wie jemand ist, der zu oft mit solchen Taten und Orten konfrontiert wird und sich noch in die Köpfe der Täter versetzen kann, auch wenn es für meinen Geschmack etwas zu viel dramatische Überstilisierung seiner Alpträume und Gedanken war.
Nur leider ist da auch das Out-Of-Character-Ende, welches dafür sorgt, dass Buffalo Bill nie gefasst werden wird.
Sad sad… Will wird das Lamm nie retten können.
Crawford ist besser als seine Vorlagen, da er viel vielschichtiger, interessanter und vor allem moralisch zwielichtig ist.
Allerdings ist er anfangs auch sehr gewöhnungsbedürftig durch Laurence Fishburne.
Gillian Anderson ist toll, aber ihre Figur ist meiner Meinung nach in der ganzen Geschichte relativ unwichtig. Leider.
Wahrscheinlich hatten sich die Dialogschreiber über zuwenig Arbeit beschwert.
Das ewige rumeiern mit Abigail Hobbs nervt.
Die absolute Essenz von Füllermaterial.
Frederick Chilton aus der Hand von Raúl Esparza ist fantastisch und endlich mit nachvollziehbaren Motiven ausgestattet, die den vorherigen Versionen fehlten und für Tiefe und Interesse bei der Figur sorgen.
Francis Dolarhyde ist schon wieder Fehlbesetzt (im Buch wird er mit einer einschüchternd massiven Muskelstatur beschrieben) und leider charakterlich viel zu blass, wegen seines Drehbuchs, zudem Dolarhyde schon in der Buchvorlage der nicht gerade denkbar beste Antagonist war.
Leider wurde hier am stärksten die Möglichkeit verschlafen, dem Charakter einen neuen Twist zu geben, was ganz besonders bei der insgesamt tollen Darstellung von Richard Armitage sehr sehr schade ist. Er war toll! Feuert die Autoren!
Der Verger-Storybogen nervte schon im Hannibal-Kinofilm und er nervt auch hier.
Fühlt sich wie Füllermaterial an und ist es auch in all seinen Inkarnationen.
Was die Stimmen angeht, so haben die deutschen, wie auch die Originalstimmen ihre Vorteile.
Beide Versionen sind sehr unterschiedlich in ihrer Wirkung, aber beide sind sehr gut.
Mag man Klarheit, Kontraste und deutlich abgegrenzte Linien, so sind die deutschen Stimmen die Wahl. Bevorzugt man eher Subtilität, Nuancen und eine untergründige schneidende Schärfe in den Dialogen, so wird man mit den Originalstimmen glücklich.
Es gibt meiner Meinung nach auch viel zu viele Anspielungen auf zukünftige Ereignisse, die sich auf ‘Roter Drache’ und ‘Schweigen der Lämmer’ \ Buffalo Bill beziehen.
Und bei der ganzen Menge an Anspielungen gibt es keine einzige Anspielung auf:
DIE LOTION!
Es hat die Lotion vergessen! Es sollte die Lotion in die Serie tun!
Warum tat es die Lotion nicht in die Serie?
Die Story hat insgesamt einige Zufälle zuviel und vieles ist geradezu grotesk fiktiv, um nicht ‘übertrieben’ zu sagen, so dass es oft eher einem charakterzentrierten Kammerstück im Theater gleicht, statt einem realistisch überzeugenden Serienstorybogen.
Es macht teilweise manchmal den Eindruck, dass die ganze restliche Welt gar nicht wirklich existiert.
Normale Polizei, Zeugen, Passanten, Angehörige, Verwandte?
Was ist das…?
In jedem drittklassigen Film versucht irgendein Bruder\Sohn\Freundin\Mutter\Erbschleicher eines Verstorbenen auf eigene Faust, herauszufinden was passiert ist.
Hier in dieser Serie verschwinden die Menschen gleich schaufelradbaggerweise (zählt mit, die Serie hat einen dreistelligen Bodycount!) und irgendwie scheint es ausser Crawford und seinem Team kaum jemanden zu stören.
Vielleicht arbeiteten alle Opfer beim Finanzamt, Jobcenter oder der GEZ.
Das war sein Ziel.
Aber es gibt ja noch mehr Glaubwürdiges…
Ein blutiger, verletzter Lecter, der quer durch Florenz humpelt und angeblich niemandem auffällt, während schon genügend Leute nach ihm suchen sollten, ist gemessen am Rest der Serie einfach nur beleidigend und war für mich der finale und endgültige Immersionskiller.
Cinematographie und Stilisierung sind fantastisch, sorgen aber oft dafür, dass selbst krasse Szenen, von denen es massig gibt, die aber selten effektiv sind, nur distanziert wahrgenommen werden.
Stellenweise ist es viel zu übertrieben, was viele Charaktere überleben (und teils auch wie oft hintereinander) und erinnert in manchen Szenen schon fast eher an Szenen aus diesen absichtlich völlig übertriebenen japanischen Splatterfilmen wie Tokyo Gore Police.
Wie viel Blut hatte der Mensch noch gleich?
Macht aber morbiden Spass und ist ganz nett, vor allem, wenn man kurz vor einem Kill den Mortal-Kombat-Fatality-Jingle vor sich hinsingt und nach dem Kill ein extramarkig und (vergeblich) tiefes ‘Fatality!’ von sich gibt.
Aber ich hätte es ehrlich besser gefunden, wenn es realistischer gehalten und es somit unbequemer und verstörend gewesen wäre.
Die teils unrealistischen Reaktionen und die Overkills reissen einen aus der Immersion, die die Serie dann doch zeitweise aufzubauen versteht.
Die erste Staffel, obwohl die Beste von allen, hat zu sehr ein ‘Monster of the Week’ Charakter und lässt das Potenzial neuer Serienkiller leider viel zu ungenutzt.
Die gesamte Serie ist eine Art ‘Best Of’ aus allen Lecterfilmen, und im Grunde ein garnicht mal schlechtes.
Der Nachteil ist, wenn man die Filme\Bücher alle kennt, dass die Serie fast gar nichts neues erzählt, ausser in der ersten Staffel, und man jede Szene schon Stunden vorher kommen sieht, schon teilweise allein, wenn ein neuer Charakter mit Namen eingeführt wird.
Ausnahmen wurden hier nur bei Freddy Lounds und Frederick Chilton gemacht, die zum Ende hin ihre Positionen miteinander tauschen, die sie in der Originalgeschichte innehatten.
Und bei Will Graham, der als Insasse in der Anstalt für Irre unter Mordverdacht steht, anstelle von Lecter.
Wie originell.
Das ist an Trivialität leider nicht zu überbieten und sind, wie Will selbst gegenüber Hannibal so treffend formuliert, tiefhängende Früchte für die Autoren.
Schocktwist: es stellt sich Wills Unschuld heraus!
Wer hätte DAS nur gedacht….
Ansonsten hat man das Gefühl, dass hier mit sehr wenig Risiko gefahren wurde, was um all das verschenkte Potential sehr schade ist.
Spass hat die Serie allemal gemacht, aber es hätte etwas mehr mutige Story (und nicht nur ein verkorkstes Twist-Ende) und etwas weniger überästhetische Bildkunst sein dürfen.
Leider nicht ganz durch und etwas bitter im Aroma.
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Wertung: 7 \ 10
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